März 2017

München

IHM, Schmuck, etc.

Die Vorhut des FFSD trifft mit dem ICE schon am Freitag, den 10.3. um 16 Uhr ein. Wir checken ein im A&O Hotel an der Hackerbrücke und fühlen uns in dem ganzen Jungvolk alle gleich um 30 (plus/minus x) Jahre jünger. Gut ausgerüstet mit Tram/U-Bahn-Tagestickets geht es nach einem kurzen Kaffee im Museum Brandhorst sofort auf die Pirsch: Wir starten gleich gegenüber in der Galerie SPEKTRUM, sind begeistert von der transparenten Hängung der Objekte an weißen Stoffbahnen und der Vielfalt der Objekte. Wir zücken unsere Notizbücher, denn Fotos sind verständlicherweise meistens nicht erwünscht. Einen Wermutstropfen gibt es leider: Die alt-eingeführte Galerie wird München wegen Kündigung der Galerieräume verlassen, weil sich im teuren München weder neue Galerieräume noch Wohnraum finden lassen. Der Neustart wird Ende des Jahres in Karlsruhe stattfinden. Wir besuchen an dem Abend noch 4 oder 5 weitere Galerien gleich in der Nähe. Viele neue Ansätze bezüglich Formsprache und Material finden wir durch die reichlich vertretenen AsiatInnen. Kein Wunder, schließlich ist dieses Jahr Korea Partnerland der Veranstaltung. Danach finden wir zum Glück noch einen Platz in einem bayrischen Brauhaus ganz in der Nähe. Gefüllte bayrische Schnitzel und ein paar Helle stärken uns, aber die allgemeine Lautstärke treibt uns auf die Straße. Auf dem Heimweg ins A&O finden wir noch einen Italiener mit gutem Montepulciano. In der Sky-Bar (Mountain-View-Bar) des A&O gibt es dann noch einen letzten Absacker in Mitten des Jungvolkes am Fußball-Fernseher und am Billardtisch.

Nach dem all-you-can-eat Frühstück ist dann Samstagmorgen erst einmal frei. Einige gehen shoppen (hier nenne ich keine Namen). Ich selbst habe mich bei einem Goldschmied und Mokume-Spezialisten (Karl Pfefferle) etwas außerhalb eingeladen, wo ich zum Fachsimpeln willkommen bin. Um 14 Uhr ist dann die FFSD-Truppe schon größer geworden und bewundert in der Galerie Handwerk das dort ausgestellte Lebenswerk von Manfred Bischoff und anderen namhaften Künstlern. Wir bleiben ziemlich lange dort, schon das spricht für die Qualität und Vielfalt der Werke. Neben nun schon klassischen Broschen (aus den 80ern, montiert aus Alpaka, Gold, Silber, Koralle …) gibt es auch verrückte, witzige Objekte mit Zeichnung, z.B. Das Pythagoras-Huhn in Gold, Ketten, die Farbe wechseln …

Noch mehr beeindruckt werden wir in der Pinakothek der Moderne von Tone Vigeland, der Grand Dame der skandinavischen Schmuckkunst. Die Leichtigkeit des Hals- und Armschmuckes aus blau-schwarzen Stahl oder Silber erinnert uns an Aztekischen Federschmuck. Jedenfalls drücken wir uns fast die Nasen platt an den Scheiben der Vitrinen und bedauern nur, dass wir diese Objekte nicht anfassen können, um deren Leichtigkeit und Beweglichkeit auch haptisch zu spüren. Hunderte Einzelelemente (Plättchen, Kügelchen mit Stiel oder federähnliche Objekte) wurden von ihr auf Kettenhemd-ähnlichen Metallösen-Gewebe montiert. Wahnsinnig und äußerst elegant.

Nicht berichten kann ich über die Schmuckausstellung in der Danner Rotunde im Untergeschoß, denn Barbara und ich erholen uns erst einmal bei einer Limonade von dem überwältigenden Eindruck der Vigeland-Show.

Im Untergeschoß besuchen wir noch die Schau der Koreanischen Designer. Ein schöner Kontrast vor der Wand mit vielen Werken von Collani. Leichte futuristische Vasen aus hauchdünnem Porzellan, getriebene Kupfergefäße, aber auch Räucher-Gefäße aus Beton und Eisen, sowie moderne Geräte von Samsung zeigen die ganze Bandbreite koreanischen Designs.

Unsere hervorragend organisierte Führerin Christa hat uns danach einen großen Tisch im Pfälzer Hof reserviert. Mit Mühe finden alle 20 TeilnehmerInnen Platz. Saumagen und Wein sind gut, noch besser der Kaiserschmarren, am besten der junge, charmante italienische Kellner. Den hätten wir (auch hier nenne ich keine Namen) am liebsten mitgenommen. Auch „uns Udo“ ist dank einer Mail an Johannes unter uns. Zum Abschluss gibt es dann auf der Dachterrasse des A&O noch einen Absacker im Lichte des Vollmondes.

Das Highlight am Sonntagmorgen ist die Villa Stuck. Wir sehen viele phantasievolle Schmuckzeichnungen (Thema Private Confessions) und zum Glück oft auch die resultierenden Schmuckstücke. Manche einfache Skizzen lassen uns teilnehmen an dem Schaffensprozess, andere Entwürfe sind eigenständige Kunstwerke. Wieder ist Manfred Bischoff sehr gut vertreten: Werke mit den Titeln: „Noch Einer“, „succesfull bypass“ (Vogel mit Wurm) und „leere Versprechung“ beeindrucken mich. Auch filigrane, kinetische Objekte von Franz Bette überzeugen mit sehr dynamischen Entwurfszeichnungen und den Objekten selbst. Während ich in der Malerei und bei Skulpturen über die Jahrzehnte viele Werke schon an der Handschrift des Künstlers zuordnen kann, gelingt mir das bei Schmuck noch recht selten. So bin ich umso glücklicher, dass ich eine Zeichnung schon aus der Ferne Peter Chang zuordnen kann, der bizarre aber harmonische Objekte, oft Armreifen, aus vielfach gefärbten Kunststoffen anfertigt. Nach diesem Besuch in München kann ich das dann hoffentlich auch bei Tone Vigeland, Manfred Bischoff und Franz Bette…. Der in München neu eingeführte Begriff Autorenschmuckist bei solchen Künstlern völlig überflüssig.

Am Sonntag bewundern wir noch die Pioneers of Czech Modern Jewellry im Tschechischen Zentrum München. Armspangen und Colliers aus schwungvoll geformten Metallen (Bronze, Rhodium) werden durch sehr modern geschliffene Glasobjekte an den Enden bereichert (Svatopluk Kasalý). Auch hier ist eine durchgängige Handschrift zu sehen, meinetwegen auch Autorenschmuck. Eine Hommage an die uralte Glaskunst.

Im Institut Francais gibt es die große Variationsbreite von 20 jungen internationalen Künstlern zu sehen. Diese sind auf fast raumhohen Stapeln leerer, weißer Kartons montiert (für mich fragwürdig im Vergleich zur Galerie Spektrum). Immerhin sind wir oft gut versteckt, so dass wir auch einmal was anfassen und von hinten betrachten können. Etwas erschöpft ruhen wir uns im sonnigen Garten des Institutes aus, planen den weiteren Weg und Barbara schießt mehrere Gruppenfotos mit dem Selbstauslöser.

Auf dem weiteren Weg geht uns trotz guter Aufsicht von Christa der Johannes verloren, weil er sich mit dem Fotoapparat an den Surfern festbeißt. Dank Handy findet er uns kurz darauf im Englischen Garten wieder. Von dort geht es zum Kunstpavillon im Alten Botanischen Garten. Dort beeindruckt vor allem Forumsmitglied Christoph Zellweger, der uns herzlich begrüßt. Sein Konzept zum Thema Self-Design des menschlichen Körpers, zeigt zwei Stühle ganz ohne Menschen aber mit futuristischen Möglichkeiten des Self-Designs of very private parts. Nicht alle Künstler im Pavillon überzeugen(mich). Aber die Installation aus Klo, Gummihandschuhen mit aufgeklebten Fingernägeln, sowie Besen mit zusammengefegten Perlen (Titel: Hausfrau, die keinen Bock mehr auf Hausarbeit hat oder so ähnlich) ist witzig und überzeugend. Jedenfalls bleiben viele sehr lange im Pavillon und begeistern sich vor allem an den Ausführungen von Christoph Zellweger. Bis 16 Uhr genießen wir noch den Sonnenschein im Garten, danach überbrücken wir die Zeit bis zum Abendessen in der Osteria des Kunsthauses im Cafe des Alten Botanischen Gartens. Zum Glück hatte Christa reserviert, sonst hätte unsere nun fast 20 TeilnehmerInnen umfassende Gruppe nirgendwo eine Chance gehabt. Danach sind alle ziemlich müde von der anstrengenden Kunst, nur Johannes und ich nehmen noch zwei Bier an der Bar des A&O.

Finale: Besuch der Messe am Montag! Eine weise Wahl, denn am Wochenende war es rappelvoll. So erhalten wir eine super Führung durch das Frauenduo. Zunächst zeigt uns die Dame von der Handwerkskammer die Renate Heintze Sonderschau, mit vielen Klassikern der Moderne. Danach erläutert uns die Chefin der Talente-Show (Michaela Braesel) eine Auswahl von Werken der glücklichen 67 TeilnehmerInnen aus 31 Ländern, die aus 700 Bewerbungen ausgewählt wurden. Schon Frau Braesel selbst ist ein spannendes self-designtes Unikat! Wir sehen unverkennbare Schmuck-Unikate, tragbare (und untragbare) Kunstwerke, deutliche Statements und provokante Experimente: Carla Movia (Italien) Broschen aus Dosen und Dosen-Laschen (Carla Movia, Italien), geschmiedete Topfschwämme (Merlin Meremaas), vielschichtige perforierte und aufgespannte Luftballons (Yasuyo Hida, Japan), Kopfschmuck zum self-design von Mund (rechteckiges Lächeln?) und Nase (Nase hoch durch Zug an den Nasenlöchern) wobei die Anprobe dieser Werke durch die junge Chinesin (Zhilu Cheng) in Videoclips witzig präsentiert wird und vieles mehr. Nach der Führung erforschen alle Mitglieder ab 12 Uhr die ganze Halle einzeln, da die Interessen und gewünschte Verweildauer an einzelnen Ständen schon innerhalb des FFSD sehr unterschiedlich sind. Die Zeit bis zur Abfahrt um 16 Uhr vergeht wie im Fluge. Ich selbst schaue mir zunächst die schon auf den Führungen gesehenen Objekte noch einmal genauer an. Danach sehe ich die Präsentationen der internationalen Galerien, die sich auf der Fläche „FRAME“ befinden. Unter anderem Platina (Schweden), die Atta Gallery (Thailand), die Galerie Ra Amsterdam und die Galerie Marzee (beide Niederlande), die Galerie Spektrum (Deutschland). Von großkalibrigen Geschossen durchlöcherte Goldmünzen als Ringe, Gebisse mit echten Perlen als Schmuck … schade, dass nur in Begleitung der Chefin das Fotografieren möglich war. Natürlich gab es auch jenseits von Schmuck in der Halle schönes Handwerk, Kunst und Design: Ein Wald aus ausgehöhlten Baumstämmen, Krawatten und Fliegen aus gefärbten Lachs-, Kabeljau- und Aal-Leder, Kondom-Täschchen aus Perlrochenleder … Jedenfalls war es nicht möglich, alles aus dieser Halle zu sehen.

Randvoll abgefüllt mit Eindrücken machen wir uns auf die Heimreise. Ich freue mich schon auf den nächsten Schmucktrip unter Führung der hochgelobten Christa.

George Heinzel